In einigen Ländern stößt der Aktionismus der US-amerikanischen Notenbank auf offenen Widerspruch. Eine chinesische Ratingagentur nahm das aufgefrischte Paket der Fed folgerichtig zum Anlass, die Kreditwürdigkeit der Staaten herabzusetzen. Die Zahlung von Kupons mit gedruckten Dollars scheint nicht mehr als „normale Zahlung“ angesehen zu werden, was in der Tat ein beachtenswerter Fortschritt ist. Vielleicht sollte generell überlegt werden, aus Ländern, die versuchen, mittels Druckerpresse Probleme auf die lange Bank zu schieben, nur noch besicherte Papiere zu erwerben. Warum nicht beispielsweise US Treasuries mit (vorzugsweise im Ausland liegenden) Werten besichern?

Ja, eine schöne Idee, leider werden sich auf Grund ähnlicher Krankheiten weder die Amerikaner, noch die Japaner, die Kontinentaleuropäer oder die Briten auf etwas derartiges einlassen. Wenn alle drucken ist es ja auch fast egal. Druckt der eine, druckt der andere eben auch. Das Beispiel der japanischen Notenbank, die über jahrelange Erfahrung im erfolglosen Drucken verfügt, zeigt dies eindrucksvoll. Andere Länder, die keine Lust mehr darauf haben, Assets gegen frisch Gedrucktes herauszurücken, sinnen über Kapitalkontrollen – ob explizit oder implizit – nach. Auch wenn derartige Maßnahmen in der Regel keine positiven Auswirkungen zeigen, kann man diesen Nationen den Ärger und dieses Vorgehen nicht übel nehmen, handelt es sich doch lediglich um eine Reaktion auf ein anderweitig stattfindendes Fehlverhalten.

Die Sorgen, die sich nach Dekaden der mehr oder weniger schweigenden Akzeptanz fast jeglicher von den USA ausgehender monetärer Experimente zeigen, sind nicht unbegründet. Die monetäre Leichtigkeit als Allheilmittel für einen krankenden Wirtschaftsprozess verliert derzeit offenbar ihren Nimbus der Unfehlbarkeit. Gelang es nach dem Zusammenbruch in Folge der massiven Fehlallokationen am Aktienmarkt um die Jahrtausendwende noch, eine Immobilienblase steigen zu lassen, so gibt sich die Realwirtschaft in den Staaten derzeit störrisch. Geradezu garstig weigern sich diejenigen Wirtschaftszweige, die für neue Jobs und eine Konsolidierung der Haushaltseinkommen Sorge tragen könnten, jeglicher Versuchung irgendeinem Aktien- oder Bondindex nach oben zu folgen. Von der Finanzbranche, die anscheinend nicht einmal mehr weiß, welchen Kredit sie wem wann und wie oft verkauft hat, wollen wir heute gar nicht sprechen.

Die Klagen des Mittelstands, der in der Regel für den größten Teil der Beschäftigungsentwicklung zuständig ist, betreffen denn auch nicht die Verfügbarkeit von Krediten. So meldete die NFIB Research Foundation erschreckende Zahlen.

(NFIB) Overall, 91 percent reported that all their credit needs were met or that they were not interested in borrowing. Nine percent reported credit needs not satisfied, and a record 52 percent said they did not want a loan.

Only three percent reported financing as their number one business problem. However, 30 percent of the owners reported weak sales as their top business problem, a major cause of the lack of credit demand observed in financial markets.

Drei Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen beklagen sich über mangelnde Kreditverfügbarkeit, während mehr als die Hälfte der Firmen gar kein Interesse an einer Kreditaufnahme hat. Das ist im Grunde nicht überraschend, denn die Aufnahme eines neuen Kredites muss durch eine erwartete lohnende Investition zu rechtfertigen sein, in den USA halten sich derartige Gelegenheiten aber derzeit gut versteckt. Immerhin wollen wohl nicht alle Handwerker eine kreditfinanzierte Aktienhandelsabteilung einrichten, eine gute Nachricht.

Die Schwierigkeiten für die genannten Unternehmen zeigen sich auch in den Einschätzungen zum größten einzelnen Problem der Firmen. Seit 2006 befindet sich das Thema Umsatz in der Liste der Probleme auf dem Weg nach oben und hat sich nun zum eindeutigen Spitzenreiter aufgeschwungen. Selbst die ungeliebten Steuern hat das Absatzproblem weit hinter sich gelassen.

Kredite aufnehmen um zu investieren, obwohl man nichts verkauft? Das ist nun doch eher Neuer Markt Romantik als normaler wirtschaftlicher Alltag.

Einstellungen drängen sich in einem derartigen Umfeld nicht eben auf. Reale Erholung? Fehlanzeige.

Die Frühindikatoren zur US-Ökonomie, die auf wöchentlicher Basis vom Economic Cyle Research Institute (ECRI) veröffentlicht werden, deuten ebenfalls nicht auf eine nachhaltige Erholung hin. Das ECRI sieht das erstaunlicherweise derzeit den eigenen Zahlen zum Trotz anders und möchte den abknickenden Verlauf nicht als Hinweis auf einen möglichen Rückfall in eine Rezession verstanden wissen. Das ist interessant, denn noch vor zwei Jahren war man stolz auf die Treffsicherheit des hauseigenen Index. Die Zukunft wird es zeigen. Wie das Institut allerdings einen Index an den Mann bringen will, der keine Aussagekraft hat, erschließt sich uns nicht.

Auch auf längere Sicht ist den Zahlen leider wenig Positives abzugewinnen.

Das von Ben Bernanke offen formulierte Ziel, über steigende Assetpreise den Volkswohlstand zu mehren, darf auf zweierlei Weise interpretiert werden. Entweder der große Vorsitzende glaubt in der Tat weiterhin an diese Vorgehensweise, oder er hat es in einem Augenblick aufblitzender Einsicht schlicht aufgegeben, auf eine strukturelle Besserung der Realwirtschaft zu setzen und widmet sich der Hoffnung, die bekanntlich zuletzt das Zeitliche segnet. Bei der Beurteilung aller frohen Botschaften zur realen Lage, die den Bürgern eine neue Phase der bald beginnenden Prosperität einreden sollen hilft ein Blick in die Belletristik, um das oft gesagte einzuordnen.

“Es spielt keine Rolle, wie lächerlich eine Lüge ist, wenn die Lüge die einzige Möglichkeit zur Flucht ist” sagte sie. “Und es spielt keine Rolle, wie offenkundig die Wahrheit ist, wenn sie bedeutet, dass Dir niemals die Flucht gelingen wird.”

Irina Asanova, “Gorki Park”, von Martin Cruz-Smith

Wer kennt es nicht vom einen oder anderen Sonntagmorgen. Einmal aufgewacht ist es schwierig noch einmal einzuschlummern und einen schönen Traum zu verlängern.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"